Hach, ganz viel ist mittlerweile
passiert!
Weil die Filzviecher aus Wolle bestehen
und es ja ganz spannend war (und ist), spinnen zu lernen, tauchte ja
die Frage auf: „WAS machen wir mit der gesponnenen Wolle? Die
Stücke sind zu kurz zum verstricken und ganz schön ungleichmäßig!“.
Also haben wir uns mit Weben beschäftigt. Sowohl Spinnen als auch
Weben sind längere Lernprozesse, jedenfalls wenn man irgendwann mehr
dabei herausbekommen möchte als Murks.
Es geht ja nicht nur darum zu lernen, wie man die Wolle mit der Spindel verdreht oder auf einem Webrahmen hin und her schiebt. Sondern es geht auch sehr viel um Faserkunde - Schafwolle unterscheidet sich je nach Rasse und Herkunftsland (warm/kalt) - und neben Wolle gibt es auch noch Pflanzen- und Kunstfasern, von denen man ein bisschen mehr wissen sollte, bevor man sie verarbeitet. Dann kommt Technik dazu: Fußspindel, Kopfspindel, Spinnrad (und es gibt noch ein bisschen mehr) - es geht um Gewichte (bei den Spindeln) und Übersetzungen (beim Spinnrad) und natürlich vor allem um den Drall, die Drehung, die die Fasern wie Kleber zusammenhält. Beim Weben um Webrahmen, Gatter, Fadendichte, Webgatter, schären und um die ganzen Muster. Es ist eine eigene Welt für sich.
Unten links: eines der ersten Knäuel. Oben: Wochen später. Rechts (grün/weiß) Monate später. |
Es geht ja nicht nur darum zu lernen, wie man die Wolle mit der Spindel verdreht oder auf einem Webrahmen hin und her schiebt. Sondern es geht auch sehr viel um Faserkunde - Schafwolle unterscheidet sich je nach Rasse und Herkunftsland (warm/kalt) - und neben Wolle gibt es auch noch Pflanzen- und Kunstfasern, von denen man ein bisschen mehr wissen sollte, bevor man sie verarbeitet. Dann kommt Technik dazu: Fußspindel, Kopfspindel, Spinnrad (und es gibt noch ein bisschen mehr) - es geht um Gewichte (bei den Spindeln) und Übersetzungen (beim Spinnrad) und natürlich vor allem um den Drall, die Drehung, die die Fasern wie Kleber zusammenhält. Beim Weben um Webrahmen, Gatter, Fadendichte, Webgatter, schären und um die ganzen Muster. Es ist eine eigene Welt für sich.
Aber erst einmal zum Spinnen. Ich habe
ein Starter-Set für ganz wenig Geld gesehen und bestellt. Spinnen
mit einer Handspindel hatte ich noch von einem Versuch in der Schule
in Erinnerung – und da war es einfach nur total blöde und hat
nicht geklappt. Deshalb war ich durchaus sehr skeptisch, was da nun
auf mich zukommt und ob ich es diesmal schaffe. Wie man auf dem
Ruppi-Struppi-Blog lesen kann – es hat geklappt!
Das war auch von daher gut, weil ich
ziemlich lange Probleme mit zwei Fingern einer Hand hatte, wo ich
schon dachte, ich hätte mir einen Nerv im Zeigefinger mit der
Filznadel komplett zerstochen. Im Prinzip konnte ich halt ohnehin
längere Zeit nicht mit der Nadel filzen, weil erst der Finger taub
wurde und sich das dann nach und nach auf Daumen und Mittelfinger
ausgebreitet hatte, bevor der Arm dran war. Die Schulter war ohnehin
vor Schmerzen kaum noch zu ertragen. Das ist dann zwar auch beim
Spinnen blöd, aber da haue ich mir dann nicht noch versehentlich
eine Nadel in die Finger.
Hier eines der ersten gesponnenen Garne noch SEHR unregelmäßig |
Dank einiger Termine bei einer
Thai-Massage (die am Braschplatz ist echt super), hat sich das aber
erledigt. Es war „nur“ ein Nerv ziemlich tief eingeklemmt und da
wurde sich massierender Weise durch diverse verspannte Schichten
gearbeitet. Just zwei Tage bevor ich einen Termin zur
Nervenbahnleitmessung hatte, war alles wieder in Butter. Glück
gehabt.
Irgendwann hat jemand mich mal gefragt,
ob ich ihm nicht einen Pullunder aus handgesponnener Wolle stricken
könnte. Das war ziemlich am Anfang als ich angefangen habe. Da ich
mit der Handspindel arbeite, brauche ich länger für Wolle als mit
dem Spinnrad. Dafür ist sie dennoch effektiver, weil ich
mittlerweile übe, im Laufen zu spinnen – und die Handspindel an
viele Orte eben einfach mit hingenommen werden kann. Das geht mit
einem Spinnrad halt nicht, das ist eher stationär. Der Vorteil eines
Spinnrades ist, dass man die Wolle nicht zwischendurch wieder
„umwickeln“ muss auf eine Spule. Das spart viel Zeit. Der nächste
Vorteil ist, dass beim spinnen nicht so viel Gewicht auf dem Faden
lastet, der frisch gesponnen ist. Denn der wickelt sich ja direkt auf
die am Spinnrad befestigte Spule und muss halt nicht das Gewicht der
Spindel und des immer mehr werdenden Fadens halten können. Mit einem
modernen Spinnrad kann man auch verschiedene Effektgarne spinnen, was
ziemlich interessant ist. Das kann ich mit einer Handspindel nur sehr
begrenzt.
einige Wochen später - verzwirnte Wolle auf einer (Kopf-)Spindel |
Aber so als grobe Vorstellung:
Stellt euch vor, ihr findet eine
Anleitung für einen Pullover. Der gefällt euch super – aber ihr
hättet den gerne aus handgesponnenem Garn. In der Anleitung steht:
„Ihr braucht 600 g der Wolle. Die ist dreifädig, jedes Knäuel
wiegt 50 Gramm und hat eine Lauflänge von 150 Metern!“.
So viele schöne Zahlen! Damit kann man
viel anfangen!
Für den Pullover braucht ihr also 600
g : 50 g = 12 Knäuel Wolle von Marke X, laut Anleitung.
12 Knäuel a 150 Meter Lauflänge. Das
wären 1800 Meter fertige Wolle. Dreifädig. Das bedeutet, ihr müsst
dann diese 1800 Meter noch mal 3 rechnen. Sind 5.400 Meter einfädiges
Garn. Aber Moment... Wolle, Wasser... Wolle schrumpft! Deshalb wird
sie vor der Verarbeitung gebadet – und beim Spinnen muss schon ein
gewisser „Schrumpffaktor“ mit berücksichtigt werden. Je nach
Wolle ist der ganz unterschiedlich. Nehmen wir mal 20 %. Das ist gar
nicht so unüblich.
5.400 m : 100 = 54 m x 20 = 1080 m. Die
noch zu den 5.400 Metern dazu sind 6.480 Meter. Runden wir auf auf
6.500 m, kommt halt immer auch wieder mal was dazwischen beim
Verarbeiten. Aber 6 ½ Kilometer Wollfaden müssen erst mal gesponnen
werden! Vielleicht denkt ihr: „Was soll eigentlich die Rechnerei,
die spinnt doch!“. Mag sein, aber wenn man sich das mal so
überlegt, dass früher mit Handspindeln so unglaublich viel Garn
gesponnen wurde, dass es für riesige Segel gereicht hat, für lange
Tücher und so – dann bekomme ich enorm Respekt vor dem, was
Menschen vor hunderten von Jahren eigentlich geleistet haben, die
viele heutzutage als „ha! Frühes Mittelalter, man, waren die Leute
damals PRIMITIV!“ bezeichnen würden. Wobei Segel und viele Tücher
nicht mal aus Wolle gesponnen wurden, sondern aus Leinen, Hanf und
Brennesseln. Ich habe mir Leinen zum verspinnen bestellt, zum
ausprobieren. Es ist viel glatter als Wolle und deshalb mit der
Handspindel viel anstrengender zu verspinnen.
oben: gefärbte Kammzüge, beide vermischt ergeben
dann die Wolle auf der Spindel und in dem Knäuel. Das
muss noch verzwirnt werden.
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Aber um wieder auf den Pullover zurück
zu kommen: 6.500 Meter auf der Handspindel – das bedeutet auch:
rund 70 cm am Stück spinnen. Anhalten, aufwickeln, die nächsten 70
cm. Wenn man steht, kann man ein bisschen längere Stücke spinnen.
Aber man kann davon ausgehen, dass für 6.500 Meter einfaches Garn
dann weit über 10.000 Mal die Spindel angeschubst & angehalten &
aufgewickelt werden muss. Von dem „die Spindel ist voll, die muss
abgewickelt werden!“ mal abgesehen.
Dann hat man also viele Spulen/Stäbe
mit insgesamt 6.500 Metern einfachem Faden. Aber: das soll ja halten,
deshalb dreifädig. Also aus jeweils drei Spulen einen einzigen Faden
spinnen. Mit der Handspindel. Genau wie vorher geht das halt immer
nur Stückchenweise. Stellt euch vor, ihr hättet so aus 12 vollen
Spulen 6 Stück fabriziert. Wie geht es weiter? Diese Wolle wird
gehaspelt. Haspeln bedeutet, die Wolle relativ stramm um ein Gestell
(die Haspel) zu wickeln. Also von der Spule runter, auf die Haspel
drauf – und eine Nacht ruhen lassen, damit die Wolle „in sich
arbeiten kann“. Dann wird sie an mehreren Stellen mit einem Band
abgebunden, damit sie sich nicht verheddert und von der Haspel
genommen.
So geht das mit der ganzen Wolle, die
auf den Spulen ist. Aufhaspeln, ruhen lassen, abbinden, abnehmen.
Fertig zum verstricken? Nein! Denn jetzt wird die Wolle heiß
gebadet. Das muss so sein, damit es keine böse Überraschung nach
dem Stricken gibt. Die Wolle schrumpft dabei, verfilzt sich leicht –
und sieht einfach schöner aus. Also alle Stränge nacheinander in
heißes Wasser und dort für 20 Minuten drin liegen lassen. Dann
abschrecken und ggf. über eine Kante schlagen. Das hilft beim
Verfilzen und haut noch mal eine Menge Wasser raus. Dann wird die
Wolle getrocknet, liegend. Und wenn diese tausende von Metern Wolle
wirklich ganz trocken sind, DANN... DANN werden sie zu Knäueln
aufgewickelt.
Und können verstrickt werden. Endlich!
Wenn man überlegt, dass allein ein
Wollpullover eigentlich monatelange Arbeit vom Schaf zur
verstrickbaren Wolle bedeutet und das Stricken auch noch einige Zeit
in Anspruch nimmt, versteht man vielleicht, warum die Leute früher
a) nicht wirklich viel Bekleidung hatten und b) warum darauf mehr
geachtet wurde als heute zu Zeiten von H & M, C & A, KiK,
Primark und wie die Lieferanten von gut & günstig-Bekleidung
alle heißen.
Nicht aufgezählt sind bei all den
Schritten die Schafschur, die Auswahl der Wolle – man kann zum
Verspinnen nur bestimmte Teile eines geschorenen Vlieses nehmen. Dann
die Reinigung der geschorenen Wolle. Dann wird die vorgereinigte
Wolle kardiert oder gekämmt. Das bedeutet, die Fasern werden
gelockert und in eine Richtung sortiert. Wenn man das per Hand
macht, ist das total anstrengend. Was auch nicht berücksichtig
wurde, ist die Zeit um die Wolle ggf. zu färben.
Falls ihr also selbst gerne strickt, häkelt oder webt und denkt: "Warum kostet handgesponnenes Garn eigentlich so viel Geld???" - dann bedenkt, dass es tatsächlich unglaublich viel Handarbeit ist. Dafür bekommt ihr oft absolut einzigartige Wolle.