Dienstag, 14. Mai 2019

Nu spinnt sie auch noch - und es kommt Wolle dabei heraus!

Hach, ganz viel ist mittlerweile passiert!

Weil die Filzviecher aus Wolle bestehen und es ja ganz spannend war (und ist), spinnen zu lernen, tauchte ja die Frage auf: „WAS machen wir mit der gesponnenen Wolle? Die Stücke sind zu kurz zum verstricken und ganz schön ungleichmäßig!“. Also haben wir uns mit Weben beschäftigt. Sowohl Spinnen als auch Weben sind längere Lernprozesse, jedenfalls wenn man irgendwann mehr dabei herausbekommen möchte als Murks.

Unten links: eines der ersten Knäuel. Oben: Wochen später. Rechts (grün/weiß) Monate später. 

Es geht ja nicht nur darum zu lernen, wie man die Wolle mit der Spindel verdreht oder auf einem Webrahmen hin und her schiebt. Sondern es geht auch sehr viel um Faserkunde - Schafwolle unterscheidet sich je nach Rasse und Herkunftsland (warm/kalt) - und neben Wolle gibt es auch noch Pflanzen- und Kunstfasern, von denen man ein bisschen mehr wissen sollte, bevor man sie verarbeitet. Dann kommt Technik dazu: Fußspindel, Kopfspindel, Spinnrad (und es gibt noch ein bisschen mehr) - es geht um Gewichte (bei den Spindeln) und Übersetzungen (beim Spinnrad) und natürlich vor allem um den Drall, die Drehung, die die Fasern wie Kleber zusammenhält. Beim Weben um Webrahmen, Gatter, Fadendichte, Webgatter, schären und um die ganzen Muster. Es ist eine eigene Welt für sich.

Aber erst einmal zum Spinnen. Ich habe ein Starter-Set für ganz wenig Geld gesehen und bestellt. Spinnen mit einer Handspindel hatte ich noch von einem Versuch in der Schule in Erinnerung – und da war es einfach nur total blöde und hat nicht geklappt. Deshalb war ich durchaus sehr skeptisch, was da nun auf mich zukommt und ob ich es diesmal schaffe. Wie man auf dem Ruppi-Struppi-Blog lesen kann – es hat geklappt!

Hier eines der ersten gesponnenen Garne noch SEHR unregelmäßig
Das war auch von daher gut, weil ich ziemlich lange Probleme mit zwei Fingern einer Hand hatte, wo ich schon dachte, ich hätte mir einen Nerv im Zeigefinger mit der Filznadel komplett zerstochen. Im Prinzip konnte ich halt ohnehin längere Zeit nicht mit der Nadel filzen, weil erst der Finger taub wurde und sich das dann nach und nach auf Daumen und Mittelfinger ausgebreitet hatte, bevor der Arm dran war. Die Schulter war ohnehin vor Schmerzen kaum noch zu ertragen. Das ist dann zwar auch beim Spinnen blöd, aber da haue ich mir dann nicht noch versehentlich eine Nadel in die Finger.
Dank einiger Termine bei einer Thai-Massage (die am Braschplatz ist echt super), hat sich das aber erledigt. Es war „nur“ ein Nerv ziemlich tief eingeklemmt und da wurde sich massierender Weise durch diverse verspannte Schichten gearbeitet. Just zwei Tage bevor ich einen Termin zur Nervenbahnleitmessung hatte, war alles wieder in Butter. Glück gehabt.

einige Wochen später - verzwirnte Wolle auf einer (Kopf-)Spindel
Irgendwann hat jemand mich mal gefragt, ob ich ihm nicht einen Pullunder aus handgesponnener Wolle stricken könnte. Das war ziemlich am Anfang als ich angefangen habe. Da ich mit der Handspindel arbeite, brauche ich länger für Wolle als mit dem Spinnrad. Dafür ist sie dennoch effektiver, weil ich mittlerweile übe, im Laufen zu spinnen – und die Handspindel an viele Orte eben einfach mit hingenommen werden kann. Das geht mit einem Spinnrad halt nicht, das ist eher stationär. Der Vorteil eines Spinnrades ist, dass man die Wolle nicht zwischendurch wieder „umwickeln“ muss auf eine Spule. Das spart viel Zeit. Der nächste Vorteil ist, dass beim spinnen nicht so viel Gewicht auf dem Faden lastet, der frisch gesponnen ist. Denn der wickelt sich ja direkt auf die am Spinnrad befestigte Spule und muss halt nicht das Gewicht der Spindel und des immer mehr werdenden Fadens halten können. Mit einem modernen Spinnrad kann man auch verschiedene Effektgarne spinnen, was ziemlich interessant ist. Das kann ich mit einer Handspindel nur sehr begrenzt.

hier das weiße Garn von der verzwirnten Wolle oben.

Aber so als grobe Vorstellung:
Stellt euch vor, ihr findet eine Anleitung für einen Pullover. Der gefällt euch super – aber ihr hättet den gerne aus handgesponnenem Garn. In der Anleitung steht: „Ihr braucht 600 g der Wolle. Die ist dreifädig, jedes Knäuel wiegt 50 Gramm und hat eine Lauflänge von 150 Metern!“.

So viele schöne Zahlen! Damit kann man viel anfangen!
Für den Pullover braucht ihr also 600 g : 50 g = 12 Knäuel Wolle von Marke X, laut Anleitung.
12 Knäuel a 150 Meter Lauflänge. Das wären 1800 Meter fertige Wolle. Dreifädig. Das bedeutet, ihr müsst dann diese 1800 Meter noch mal 3 rechnen. Sind 5.400 Meter einfädiges Garn. Aber Moment... Wolle, Wasser... Wolle schrumpft! Deshalb wird sie vor der Verarbeitung gebadet – und beim Spinnen muss schon ein gewisser „Schrumpffaktor“ mit berücksichtigt werden. Je nach Wolle ist der ganz unterschiedlich. Nehmen wir mal 20 %. Das ist gar nicht so unüblich.

5.400 m : 100 = 54 m x 20 = 1080 m. Die noch zu den 5.400 Metern dazu sind 6.480 Meter. Runden wir auf auf 6.500 m, kommt halt immer auch wieder mal was dazwischen beim Verarbeiten. Aber 6 ½ Kilometer Wollfaden müssen erst mal gesponnen werden! Vielleicht denkt ihr: „Was soll eigentlich die Rechnerei, die spinnt doch!“. Mag sein, aber wenn man sich das mal so überlegt, dass früher mit Handspindeln so unglaublich viel Garn gesponnen wurde, dass es für riesige Segel gereicht hat, für lange Tücher und so – dann bekomme ich enorm Respekt vor dem, was Menschen vor hunderten von Jahren eigentlich geleistet haben, die viele heutzutage als „ha! Frühes Mittelalter, man, waren die Leute damals PRIMITIV!“ bezeichnen würden. Wobei Segel und viele Tücher nicht mal aus Wolle gesponnen wurden, sondern aus Leinen, Hanf und Brennesseln. Ich habe mir Leinen zum verspinnen bestellt, zum ausprobieren. Es ist viel glatter als Wolle und deshalb mit der Handspindel viel anstrengender zu verspinnen.

oben: gefärbte Kammzüge, beide vermischt ergeben 
dann die Wolle auf der Spindel und in dem Knäuel. Das 
muss noch verzwirnt werden. 
Aber um wieder auf den Pullover zurück zu kommen: 6.500 Meter auf der Handspindel – das bedeutet auch: rund 70 cm am Stück spinnen. Anhalten, aufwickeln, die nächsten 70 cm. Wenn man steht, kann man ein bisschen längere Stücke spinnen. Aber man kann davon ausgehen, dass für 6.500 Meter einfaches Garn dann weit über 10.000 Mal die Spindel angeschubst & angehalten & aufgewickelt werden muss. Von dem „die Spindel ist voll, die muss abgewickelt werden!“ mal abgesehen.

Dann hat man also viele Spulen/Stäbe mit insgesamt 6.500 Metern einfachem Faden. Aber: das soll ja halten, deshalb dreifädig. Also aus jeweils drei Spulen einen einzigen Faden spinnen. Mit der Handspindel. Genau wie vorher geht das halt immer nur Stückchenweise. Stellt euch vor, ihr hättet so aus 12 vollen Spulen 6 Stück fabriziert. Wie geht es weiter? Diese Wolle wird gehaspelt. Haspeln bedeutet, die Wolle relativ stramm um ein Gestell (die Haspel) zu wickeln. Also von der Spule runter, auf die Haspel drauf – und eine Nacht ruhen lassen, damit die Wolle „in sich arbeiten kann“. Dann wird sie an mehreren Stellen mit einem Band abgebunden, damit sie sich nicht verheddert und von der Haspel genommen.

So geht das mit der ganzen Wolle, die auf den Spulen ist. Aufhaspeln, ruhen lassen, abbinden, abnehmen. Fertig zum verstricken? Nein! Denn jetzt wird die Wolle heiß gebadet. Das muss so sein, damit es keine böse Überraschung nach dem Stricken gibt. Die Wolle schrumpft dabei, verfilzt sich leicht – und sieht einfach schöner aus. Also alle Stränge nacheinander in heißes Wasser und dort für 20 Minuten drin liegen lassen. Dann abschrecken und ggf. über eine Kante schlagen. Das hilft beim Verfilzen und haut noch mal eine Menge Wasser raus. Dann wird die Wolle getrocknet, liegend. Und wenn diese tausende von Metern Wolle wirklich ganz trocken sind, DANN... DANN werden sie zu Knäueln aufgewickelt.

Und können verstrickt werden. Endlich!

Wenn man überlegt, dass allein ein Wollpullover eigentlich monatelange Arbeit vom Schaf zur verstrickbaren Wolle bedeutet und das Stricken auch noch einige Zeit in Anspruch nimmt, versteht man vielleicht, warum die Leute früher a) nicht wirklich viel Bekleidung hatten und b) warum darauf mehr geachtet wurde als heute zu Zeiten von H & M, C & A, KiK, Primark und wie die Lieferanten von gut & günstig-Bekleidung alle heißen.

Nicht aufgezählt sind bei all den Schritten die Schafschur, die Auswahl der Wolle – man kann zum Verspinnen nur bestimmte Teile eines geschorenen Vlieses nehmen. Dann die Reinigung der geschorenen Wolle. Dann wird die vorgereinigte Wolle kardiert oder gekämmt. Das bedeutet, die Fasern werden gelockert und in eine Richtung sortiert. Wenn man das per Hand macht, ist das total anstrengend. Was auch nicht berücksichtig wurde, ist die Zeit um die Wolle ggf. zu färben. 

Falls ihr also selbst gerne strickt, häkelt oder webt und denkt: "Warum kostet handgesponnenes Garn eigentlich so viel Geld???" - dann bedenkt, dass es tatsächlich unglaublich viel Handarbeit ist. Dafür bekommt ihr oft absolut einzigartige Wolle. 





















weiter geht´s im Sauseschritt...